BAG, Urteil vom 21. November 2023 – 3 AZR 44/23
In Versorgungsregelungen zur betrieblichen Altersversorgung wird häufig die Versorgung von Witwen bzw. Witwern an bestimmte Bedingungen geknüpft. Z.B. muss die Ehe vor einem bestimmten Alter geschlossen worden sein („Spätehenklausel“) oder eine bestimmte Zeit angedauert haben („Mindestehedauerklausel“).
In einer Entscheidung vom 21.11.2023 (3 AZR 44/23) hatte das BAG zuletzt wieder einmal über die Wirksamkeit solcher Klauseln zu entscheiden.
Dabei bestätigte es zum einen seine bisherige Rechtsprechung zu Spätehenklauseln: Eine vom Arbeitgeber in einer Versorgungsordnung festgesetzte Altersgrenze ist nur dann wirksam, wenn sie an ein sog. betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip anknüpft. Im entschiedenen Fall war sie auf die Vollendung des 60. Lebensjahres festgelegt. Dies sei allerdings kein Zeitpunkt, zu dem typischerweise mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechnet werden kann bzw. zu dem das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet oder der Versorgungsfall eingetreten ist. Somit sah das BAG in dieser Festlegung eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen Alters im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Zum anderen beanstandete es – wenig überraschend vor dem Hintergrund seiner Entscheidung vom 02.12.2021, 3 AZR 254/21 – die ebenfalls verwendete Klausel zur Mindestehedauer. Es kristallisiert sich heraus, dass das BAG generell solche Regelungen zur Mindestehedauer nur akzeptiert, wenn
– die geforderte Mindestehedauer nicht über ein Jahr hinausgeht und
– der hinterbliebenen Person bei kürzerer Ehedauer der Nachweis ermöglicht wird, dass die Ehe nicht versorgungshalber geschlossen worden ist.
Im Streitfall musste nach der Versorgungsordnung die Ehe „am 1. Dezember“ vor dem Tod des Arbeitnehmers mindestens ein Jahr bestanden haben. Die Frist ging damit bereits regelmäßig über ein Jahr hinaus. Das Recht nachzuweisen, dass sich trotz des Todes innerhalb der festgelegten Frist das Risiko zu dem Zeitpunkt, als der Schutz der Versorgungsordnung eintrat, noch nicht konkretisiert hatte, war ebenfalls nicht vorgesehen. Darin erkannte das BAG eine unangemessene Benachteiligung der versorgungsberechtigten Person im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB.
Das BAG betont zwar, der Arbeitgeber sei nicht gehalten, sich den Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen. Das ist allerdings weitgehend eine Leerformel: Die Vorgaben des BAG für eine wirksame Mindesteheklausel sind von den Regelungen der Sozialversicherung kaum zu unterscheiden.
Dessen ungeachtet ist Arbeitgebern zu empfehlen, bestehende Versorgungsregelungen auf Anpassungsbedarf an die Vorgaben der Rechtsprechung zu überprüfen.
Dem genannten Urteil sollte aber auch noch aus einem anderen Grund Beachtung geschenkt werden:
Der Arbeitgeber hatte die Regelungen einer Versorgungsordnung später mittels Betriebsvereinbarung abgelöst. Für die klagende Witwe des Arbeitnehmers galt nach der Entscheidung des BAG aber noch die alte Versorgungsregelung weiter, weil ihr Ehemann den Status eines leitenden Angestellten hatte. In seinem Arbeitsvertrag war für die betriebliche Altersversorgung pauschal auf die beim Arbeitgeber geltende Regelung verwiesen worden. Ohne besondere Anhaltspunkte könne in einem solchen Fall nicht davon ausgegangen werden, dass damit auch eine nach Vertragsschluss in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung zustande gekommene Versorgungsordnung in Bezug genommen ist, in deren persönlichen Anwendungsbereich der leitende Angestellte nicht fällt. Soll daher eine Bezugnahmeklausel ausnahmsweise einer Betriebsvereinbarung auch im Arbeitsverhältnis einer außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Person Geltung verschaffen, bedarf es einer ausreichenden Klarstellung.