BVerfG: § 17 VersAusglG verstößt bei verfassungskonformer Anwendung nicht gegen die Verfassung

Das BVerfG hatte über die Frage zu entscheiden, ob § 17 VersAusglG mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Nach dieser Ausnahmeregelung kann im Fall einer Scheidung auch relativ werthaltige betriebliche Altersversorgung auf einseitiges Verlangen des Versorgungsträgers extern, d.h. außerhalb des bestehenden Versorgungssystems geteilt werden, wenn die Versorgung vom Arbeitgeber unmittelbar (Direktzusage) oder über eine Unterstützungskasse durchgeführt wird:

  • Grundsätzlich stellt die interne Teilung nach dem Willen des Gesetzgebers den Regelfall dar: § 9 Abs. 2 VersAusglG
  • Für eine externe Teilung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG gilt allgemein eine niedrige Wertgrenze: Der Ausgleichswert darf als Kapitalwert höchstens 240 % der monatlichen Bezugsgröße
    nach § 18 Abs. 1 SGB IV erreichen – im Jahr 2020 sind das 7 644 EUR (West).
  • Nach § 17 VersAusglG ist diese Wertgrenze dagegen auf die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (§§ 159, 160 SGB VI) angehoben – im Jahr 2020 also 82 800 EUR (West).

Bei der externen Teilung können sog. Transferverluste entstehen, weil die Annahmen des Zielversorgungsträgers (z.B. Zins, Biometrie) für die Umrechnung von Kapital in Versorgung für das neue Anrecht häufig ungünstiger sind als die Annahmen, die der Kapitalisierung des auszugleichenden Anrechts zugrunde liegen. Aus diesem Grund und weil hiervon statistisch eher Frauen betroffen sind als Männer, wurde § 17 VersAusglG teilweise für verfassungswidrig gehalten.
Nach dem jetzt ergangenen Urteil des BVerfG ( „Urteil vom 26.05.2020, 1 BvL 5/18“) ist § 17 VersAusglG mit dem Grundgesetz vereinbar. Diese Norm ist allerdings verfassungskonform auszulegen: Die Nachteile der externen Teilung dürfen nicht um jeden Preis auf die ausgleichsberechtigte Person verlagert werden. Das BVerfG billigte in seiner Entscheidung die Ansicht des Vorlagegerichts OLG Hamm, das die Grenze bei einer Abweichung der Zielversorgung von der Ausgangsversorgung um mehr als 10 % zieht. Es ist die Aufgabe der Gerichte, bei Durchführung des Versorgungsausgleichs im Wege externer Teilung nach § 17 VersAusglG den als Kapitalbetrag zu zahlenden Ausgleichswert so festzusetzen, dass die Grundrechte aller Beteiligten gewahrt sind.
Die Familiengerichte haben daher künftig aufzuklären, ob aus dem vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Ausgleichswert

  1. bei dem von der ausgleichsberechtigten Person gegebenenfalls gewählten Zielversorgungsträger oder
  2. bei der gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VersAusglG aufnahmeverpflichteten Versorgungs-ausgleichskasse oder
  3. sofern die Anrechtsbegründung dort möglich ist: bei der gesetzlichen Rentenversicherung

eine verfassungsrechtlich ausreichende Versorgung begründet werden kann, mit anderen Worten etwaige Transferverluste das noch erlaubte Maß nicht übersteigen. Anderenfalls muss das Familiengericht den Ausgleichswert so anpassen, dass Transferverluste, die außer Verhältnis zu den Vorteilen der externen Teilung stehen, vermieden werden. Im Falle einer entsprechenden Korrektur durch das Gericht muss dem Arbeitgeber die Möglichkeit bleiben, anders als ursprünglich verlangt doch die interne Teilung zu wählen.
Der somit nun erforderliche Vergleich von Versorgungen verschiedener Zielversorgungsträger ist allerdings anspruchsvoll und aufwändig, weil sich die Versorgungen nach den jeweiligen Versorgungsbedingungen deutlich unterscheiden können (Rente oder Kapital, Leistungsspektrum). Eine derartige Vergleichbarmachung strukturell unterschiedlicher Anrechte war nach dem altem Versorgungsausgleichsrecht im Rahmen der Saldierung von Versorgungsanrechten noch zwingend und sollte mit dem neuen, seit 2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht gerade nicht mehr erforderlich sein.