Neue Entscheidungen des BGH zum Versorgungsausgleich

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit zwei kürzlich ergangenen Beschlüssen grundsätzliche Fragen zum Versorgungsausgleich beantwortet. Seit dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes im September 2009 war unklar,

– wie bei der Teilung von betrieblichen Versorgungsanrechten, aus denen bereits vor Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eine ungekürzte Altersrente bezogen wird („Rentnerscheidung“), der durch den Rentenbezug entstehende Wertverzehr berücksichtigt werden kann, und

– welcher Rechnungszins für die Bewertung eines Anrechts der betrieblichen Altersversorgung bei externer Teilung anzusetzen ist.

Hierzu liegen nunmehr die lange erwarteten richtungweisenden Entscheidungen des BGH vor.

1. Rentnerscheidung

Beschluss vom 17.02.2016 – XII ZB 447/13: Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) sind sämtliche Anrechte auf das Ende der Ehezeit zu bewerten. Dies führt jedoch regelmäßig zu einer Doppelbelastung des Versorgungsträgers, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits eine laufende Altersversorgung bezieht: Die zwischen dem Ehezeitende und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Umsetzung des Versorgungsausgleichs (Rechtskraft der Entscheidung) vom Versorgungsträger zu zahlenden Renten sind in dem Wert des Anrechts zum Ehezeitende enthalten und würden damit doppelt (als laufende Zahlungen an den ausgleichspflichtigen Mitarbeiter und zusätzlich als Teil des Ausgleichwertes an die ausgleichsberechtigte Person) ausgekehrt werden.

Eine solche Doppelbelastung hält der BGH nicht für zulässig. Sie ist nicht mit den im Grundgesetz festgelegten Rechtsgarantien vereinbar: Ist der zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch vorhandene Barwert unter den Barwert des Anrechts bei Ehezeitende gesunken, könne nur der noch vorhandene Barwert ausgeglichen werden.

Der BGH hat sich daher der in der Literatur vorgeschlagenen und in der Instanzrechtsprechung bereits praktizierten Herangehensweise angeschlossen, wonach der Wert des Ehezeitanteils und daraus der Ausgleichswert anhand des noch vorhandenen „(Rest) Kapitalwerts“ zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft ermittelt wird.

2. Rechnungszins bei externer Teilung

Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14: Bei der Ermittlung des Ausgleichswertes als Kapitalwert nach § 45 Abs. 1 VersAusglG i. V. m. § 4 Abs. 5 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) wird bei Direktzusagen und Unterstützungskassenzusagen von Unternehmen überwiegend der in der Handelsbilanz des Arbeitgebers verwendete Rechnungszins gemäß § 253 HGB Abs. 2 HGB (BilMoG-Zins) verwendet. Die Höhe dieses BilMoG-Zinses wird nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ermittelt und monatlich von der Deutschen Bundesbank bekannt gegeben.

Für die Fälle der externen Teilung stand die Zugrundelegung des BilMoG-Zinses für die Ermittlung des Ausgleichswertes in der Literatur und Rechtsprechung zum Teil in Kritik aufgrund der entstehenden „Transferverluste“, da der BilMoG-Zins – als durchschnittlicher Marktzinssatz für mehrere Jahre – stets höher ist als der Garantiezins einer neu zu begründenden Zielversorgung bei einem Versicherungsunternehmen, insbesondere bei dem Auffang-Zielversorgungsträger für betriebliche Anrechte: der Versorgungsausgleichskasse. Je höher der Rechnungszins angesetzt wird, desto niedriger ist der sich am Bewertungsstichtag ergebende Barwert. Damit ergibt sich für die ausgleichsberechtigte Person nach einer externen Teilung bei einer Versicherung als Zielversorgungsträger regelmäßig eine geringere Ausgangsrente gegenüber einer Rente, die der ursprünglichen Versorgungsträger im Fall einer hypothetischen internen Teilung gewähren würde.

Aus der Sicht des BGH bestehen keine Bedenken gegen die Verwendung des BilMoG-Zinses für die Ermittlung des Ausgleichswertes als Kapitalwert nach § 45 Abs. 1 VersAusglG i. V. m. § 4 Abs. 5 BetrAVG. Die Versorgungsschicksale der beiden Ehegatten werden mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs getrennt und sind von diesem Zeitpunkt an voneinander unabhängig zu betrachten, sodass die geschiedenen Ehegatten die künftigen Chancen und Risiken ihrer jeweiligen Versorgungsverhältnisse selbst zu tragen haben.